Eine Überführung ist anstrengend und langweilig. So, oder so ähnlich kann ich es für mich zusammenfassen. Wir waren zu zweit, deswegen wollten wir besonders in der Nacht keine langen Wachen halten müssen. Wir wechselten uns immer nach drei Stunden ab. Wenn man es schafft schnell einzuschlafen, dann kann man fast zwei komplette Schlafzyklen schaffen. Das gelang mir zwar nicht immer, aber ich war dennoch immer einigermaßen ausgeruht, wenn meine Wache begonnen hatte.
Mein Skipper, ich war in der Rolle als Co-Skipper dabei, konnte anfangs unter der Last der Verantwortung nicht richtig entspannen und schlief sehr schlecht. Was nach kurzer Zeit dazu führte, dass er auch mal eine längere Auszeit brauchte.
Tagsüber haben wir nicht immer genau an diesem 3h Rhythmus festgehalten, er hat sich aber als sehr praktikabel erwiesen.
Ebenso muss man aufpassen genügend zu trinken. Da es eher kühl und nachts auch fast kalt war, stellte sich kein besonderer Durst bei mir ein. Ich habe mir dann zu jeder Wache eine Trinkflasche voll Wasser, später halb Cola und halb Wasser gefüllt und darauf geachtet, dass diese am Ende der Wache leer ist. Aber verglichen mit anderen Törns haben wir definitiv zu wenig getrunken.
Am Anfang haben wir uns entsprechend verproviantiert. Auf der Biskaya war auch nicht wirklich an kochen zu denken. Deswegen gab es Wurst, Käse, Brot und Snacks wie Mars, Twix oder Kitkat zwischendurch. Äpfel, Bananen und Tomaten sorgten für etwas Frische.
Ab dem zweiten Tag gab es einmal am Tag etwas warmes. Mein Skipper hatte von einem anderen Törn noch sog. Tactical-Food in diversen Geschmacksrichtungen übrig. Man muss nur kochendes Wasser hinzufügen, etwas umrühren und es kurz stehen lassen. So ab und zu schmeckt das sogar und macht sehr satt. Die berühmte warme Mahlzeit, die wirklich die Lebensgeister weckt und Kraft und in diesem Fall auch Ausdauer zurück bringt.
Später habe ich dann einmal ein Caprese (spanische Fleischtomate und echten Büffel-Mozzarella mit etwas Öl, Essig, Salz und Pfeffer und ein paar Kräutern) zubereitet. Man wird richtig gierig auf etwas Frisches, wenn es immer nur trockenes und kaltes Essen gibt.
Die Stimmung hat es jedenfalls sehr gehoben. Nach drei Tagen war ich auch so an das Geschaukel gewöhnt, dass ich ohne Probleme unten in das Pantry arbeiten konnte. Das nehme ich als Erfahrung definitiv mit, gutes Essen macht gute Stimmung!
Am Ende, als wir den Eigner in Amsterdam aufgenommen haben und auch schon davor kündigten sich bereits Probleme mit dem Motor an. Den Motor sehe ich auch als größte Unbekannte bei einer Überführung.
Das Rigg und das Boot konnten wir beide sehr genau inspizieren. Man entwickelt einen guten Blick für ein Boot und seinen Zustand, wenn man regelmäßig Boote chartert. Der Blick in die Bilge, den Motorraum alle Schapps und unter alle Bodenbretter und Ecken gibt mir das Gefühl, das Boot kennen zu lernen.
In unserem Fall war wohl durch den vorigen Eigner wohl einiges an Wartung in den Motor gesteckt worden. Das Motoröl war sauber und ohne Rückstände, im Diesel konnten wir im Wasserabscheider weder Wasser noch sonstige Rückstände entdecken. Alles schien soweit in Ordnung.
Aber nach einigen Tagen stellte der Motor nach Dauerbelastung immer wieder seinen Dienst ein. Am Schluss, mit dem Eigner an Bord, ging es von der Amsterdam Marina nur noch bis in den Six-Hafen … und kurz nach der Einfahrt, vor dem Anlegen, stand der Motor völlig.
Kein Zeichen von Überhitzung, keine Problem mit der Wasserpumpe oder dem Keilriemen. Aber er stand einfach.
Wir konnten uns an einen Steg retten und das Boot festmachen. Danach haben wir dem Eigner unsere „Mängelliste“ erläutert. Es gab diverse Probleme neben dem Motor, die aber alle einfach abzustellen waren. Nach einem gemeinsamen Abendessen entschieden wir dann auch über Nacht zu bleiben und dem Motor am nächsten Morgen nochmals eine Chance zu geben.
Wir hatten bereits begonnen unsere Rückreise zu planen, direkt neben dem Hauptbahnhof, kurz die Fähre und dann nach Schiphol. Ein gemeinsamer Flug nach Innsbruck und für mich dann der Zug bis Bregenz.
Die Verlegung des Bootes bis nach Lemmer, die unser Auftraggeber in Eigenregie durchführen wollte, kam dann auch nicht mehr zustande. Der Motor konnte nicht mehr gestartet werden. Das Boot über 30 Jahre alt, war eigentlich in einem ordentlichen Zustand, aber der Motor hatte wohl zu viele Betriebsstunden und die Belastung auf unserer Passage tat dann ihr übriges.
Wir haben den Motor natürlich nicht immer laufen lassen. In der Biskaya mit den achterlichen Wellen war das Boot nur steuerbar wenn der Motor ein wenig mitlief. Denn sonst riss immer wieder die Strömung am Ruder ab und der Autopilot stellte seine Arbeit ein. Ebenso war es nötig, immer wieder die Batterien zu laden, denn Autopilot, Radar, Funk, AIS und Nachts die Navigationslichter galt es mit Strom zu versorgen. Deswegen lief der Motor immer wieder, um die Batterien, die wie eingangs beschrieben in sehr schlechtem Zustand waren, zu laden.
Man kann eben von Außen rein gar nichts an einem Motor erkennen. Besonders wenn er äußerlich einigermaßen gepflegt aussieht. Wie gut er allerdings wirklich gewartet wurde, konnte niemand wissen. Bei über 2500 Betriebsstunden werde ich jedenfalls in Zukunft sehr hellhörig werden.
Eine ganze Woche waren wir unterwegs. Die Aufgabe war die Segelyacht „puent enel“, ja richtig gelesen, „.nl“ wie die niederländische Domain-Endung, von A Coruña in die Niederlande zu bringen. Das Ziel war Lemmer am IJsselmeer.
Wie bereits beschrieben, erfolgte erst mal eine gründliche Inspektion, die prompt einige behebbare Mängel zu Tage förderte. Die Mängelliste sollte aber im Laufe der Überfahrt noch etwas länger werden.
Laut Navionics Tracking-Daten sollten es am Ende 856 sm sein, die sich in drei bzw. vier wesentliche Etappen aufteilen. Für die Aufteilung der letzten Etappe gab es aber gute Gründe. Dazu später mehr ….
Kapitel 1 oder auch der 1. Akt: Von der Sada Marina in A Coruña nach Camaret sur Mer in 2 Tagen und 10 Stunden quer über die Biskaya.
Dann der 2. Akt, fast genau gleich lang von Camaret sur Mer bis nach Dünkirchen, wobei wir einen kurzen Zwischenstopp in Cherburg eingeschoben haben, den ich zeitlich natürlich nicht berücksichtigt habe.
Die dritte Etappe sollte von Dünkirchen bis nach Lemmer in einem Rutsch gehen. Aber aus dem Drama in drei Akten wurden eher vier. Wie gesagt wir hatten einen Stop-over in Scheveningen, der den letzten Akt in Zwei geteilt hat.
Und bis nach Lemmer ging es am Ende auch nicht, sondern in Amsterdam haben wir dann die Überführung beendet.
In der Amsterdam Marina sollte uns dann Jens, der Eigner treffen und bis nach Lelystaad begleiten. Lelystaad deswegen, weil man von dort besser mit dem Zug wegkommt um ab Amsterdam entweder zu fliegen oder mit dem Zug nach Hause zu fahren. Ich kenne Lelystaad noch gut, denn dort habe ich vor Jahren meine SKS-Ausbildung gemacht und die Prüfung abgelegt. Aber es wurde leider nichts aus dem Wiedersehen.
Wir sind in A Coruña angekommen und die Marina hat uns ein Taxi organisiert. Nach 20 Minuten sind wir bereits vor Ort. Als erstes wird die Yacht von oben bis unten komplett inspiziert. Christian wird von mir auf den Mast gewinscht und kontrolliert das Großfall und das Genuafall.
Motor, Elektrik, Seeventile, Kielbolzen, laufendes und stehendes Gut, die Segel und so weiter und so fort wird auf das Genaueste in Augenschein genommen.
Leider hat uns die tiefentladene Hausbatterie bereits mit einem piepsenden Geräusch empfangen. Aktuell wird sie auch nicht vom Motor geladen. Dem Problem müssen wir vor der Abfahrt noch auf den Grund gehen.
Der dritte und letzte Teil der Reihe wie man Yachtmaster wird, mit Eindrücken aus der Prüfung.
Es kam der Tag, an dem Hubi und ich Yachtmaster werden sollten. Es war ein Donnerstag (im April 2021). In der letzten Woche waren Gerald und Jochen erfolgreich geprüft worden und wir durften als Crew bereits einen Eindruck bekommen, wie so eine Yachtmaster-Prüfung abläuft.
An einer Prüfung als Crew teilzunehmen kann ich jedem zur Vorbereitung auf jeden Fall ans Herz legen. Zum einen wird klar, wie lange diese Prüfung dann wirklich dauert und zum anderen seht ihr wie vielfältig die Aufgaben des Prüfers über den Tag verteilt sind.
Gregor und Jochen haben es jedenfalls sehr gut gemacht und wir haben Sie am Abend noch gebührend gefeiert. In unserer Prüfungswoche waren wir zu viert. Gerald und Axel, Hubi und ich wollten uns der Aufgabe stellen. Da Gerald und Axel neu zur Crew hinzugekommen sind und Gregor und Jochen abgelöst haben, sollten Sie auch die Chance haben eine Prüfung aus Crew-Perspektive zu erleben. Das bedeutete, dass Hubi und ich als erstes dran waren.
Der Prüfer, Stephen Hart, wurde extra aus Mallorca eingeflogen. Denn Covid-19 bedingt, konnte keiner der üblichen Examiner aus England zu uns kommen. Im Solent gibt es eine Hand von ganz unterschiedlichen Persönlichkeiten, die regelmäßig für die RYA Prüfungen abnehmen. Stephen, so sollte es sich später herausstellen, ist Captain auf einer Superyacht und mittlerweile hat der die spanische Staatsbürgerschaft. Zum einen also ein EU-Resident und zum anderen war es für ihn ein sehr günstiger Inlandsflug. Ebenso sollte sich später herausstellen, dass er im Bristol-Channel das segeln gelernt hat und auch mal für Großbritannien bei den Olympischen Spielen teilgenommen hat. Aber dazu später mehr ..
Stephen kam also am Vorabend an und wir haben ihn natürlich zum Essen eingeladen. Am Morgen trafen wir uns auf dem Boot, wo er seine obligatorische Cup of Tea erhielt und er dann Hubi bat mit den anderen ein wenig weiter weg zu warten, damit er nicht später den selben Wortlaut wieder hört. Ich war mit der Sicherheitseinweisung dran. Er hat es aber eher wie ein Gespräch unter Fachleuten gestaltet, ich sollte ihm einfach unter Deck und später dann an Deck die Sicherheitseinrichtungen erläutern und erklären was und wie ich es meiner Crew näher bringe. Da ich als Ausbildungsskipper selbst großen Wert darauf lege, war diese erste Aufgabe dann auch gut geeignet um das Adrenalin abzubauen und mich ganz auf diesen Tag und diese Nacht einzulassen. Solltest Du etwas vergessen haben, kommt sicher irgend wann mal eine Frage dazu. Es kann auch sein im Laufe des Tages, ganz beiläufig.
Bei den anderen Kollegen in der Vorwoche habe ich schon gemerkt, dass er bisweilen anfängt Fragen zu stellen oder kurz erklärt was aus seiner Sicht noch wichtig ist. Es meinte dann, ich soll das Boot zum Auslaufen vorbereiten und Hubi wurde in die Mangel genommen. Aber auch hier und dank der Vorarbeit unserer Kollegen in der Vorwoche gab es nichts auszusetzen. Jochen hat z.B. während der Prüfung „entdeckt“ dass das Datum bei den Signalfackeln abgelaufen war. Das hätte uns natürlich vorher schon auffallen können. Letztendlich sind wir dann erst ausgelaufen, als es nichts mehr zu beanstanden gab.
Nun kamen die üblichen, leg mal ab, … ach ich hab was vergessen, fahr nochmal zurück. Bzw. wir fahren zur Tankstelle, da legen wir an. Hier ging es zum einen um das Bootshandling und zum anderen wie mit der Crew kommuniziert wird. Wie wird das Manöver vorher durchgesprochen? Werden die Rollen und Positionen beim Manöver klar zugewiesen? Und am Ende geht es drum, ob sich alle, also auch der Prüfer währenddessen wohl und sicher gefühlt haben.
Der Prüfer sieht dann z.B. einen Fischtrawler am Steg, fragt nach den Tagzeichen oder welche Lichter er in der Nacht zeigen würde. Oder wenn der Trawler ablegt, welches Schallsignal hätte er geben müssen, wenn er es „richtig“ gemacht hätte. Bei unseren Trainings sind dann mitten in den Hafenmanövern auch mal die Motoren ausgefallen und wir mussten schnell reagieren, Segel setzen und dann nur mir Segelunterstützung an einem Steg anlegen und das Boot sicher festmachen. Das kam jetzt in unserer Prüfung nicht vor, aber jeder sollte auf so etwas vorbereitet sein. Ebenso kann plötzlich außer dem Kompass und dem Tiefenmesser alles andere ausfallen, die Sicht schlecht werden und man muss mittels Blind-Navigation sicher in den nächsten Hafen kommen. Also aus allem und jedem kann sich eine „belanglose“ Frage oder Anmerkung ergeben und du musst Rede und Antwort stehen, nebenher die Crew führen und das Boot dorthin navigieren und z.B. einen bestimmten Punkt auf der Seekarte finden und durch einen Three-Point-Fix bestätigen.
Zur Vorbereitung auf den Prüfungstag hatte Stephen uns eine Karte vom Bristol-Channel da gelassen und Hubi und mir jeweils eine Aufgabe für den Passage-Plan gegeben. Wir sollten von unterschiedlichen Ausgangshäfen in einen kleinen Sportboothafen bei Bristol fahren.
In meinem Fall plante ich mit Westwind 5-6, berücksichtigte die Navigational Hazzards, sonstige Hindernisse, etc. und hatte einen schönen Plan mit Pilotage für Start- und Ziel, Schleusenzeiten am Ankunftsort, etc. vorbereitet. Aber er sagte dann: „bevor du mir deinen Passageplan erklärst, lass uns doch mal das heutige Wetter abhören und sag mir dann, wie sich das auf deinen Plan auswirkt.“
Also musste ich herausbekommen, in welchem See-Gebiet ich unterwegs sein wollte, und aus dem Original-Wetterbericht (Stephen hatte alles auf seinem Smartphone gespeichert), mit original Sprecher und in original Geschwindigkeit alles heraushören, was für mich relevant war.
Dann konnte ich meinen Passageplan überarbeiten, denn wir hatten heute Ostwind und das auch noch ziemlich starken. Daraus ergaben sich einige Tide gegen Strom Situationen, die einer echten Crew sicher die Farbe aus dem Gesicht getrieben hätte. Aber scheinbar konnte ich meinen Plan gut verteidigen, denn er hat kaum Vertiefungsfragen gestellt.
Hier sieht man schon ein wenig das Konzept der Prüfung. Es sind nie unlösbare Aufgaben, aber du hast dich gut vorbereitet und wie im echten Leben kommt kurzfristig irgend etwas als Störfaktor dazu. Man wird durch erhöhen des Stresslevels immer wieder aus seiner Komfort-Zone geholt und dann dabei beobachtet, wie man damit umgeht.
Zum Plan an sich: ich habe natürlich auch mein iPad mit Navionics genutzt. Das würde ich auch „im richtigen Leben“ tun. Dennoch habe ich den gesamten Plan schriftlich abgefasst und Handskizzen mit allen Details angefertigt, für den Fall, dass das iPad nicht geht. Auf der Seekarte habe ich meine Wegepunkte eingezeichnet und im Passageplan beschrieben. Die genauen Schleusenzeiten im Ankunftshafen haben wir schließlich im Internet online herausgesucht. Denn diese waren nicht im Almanach zu finden. Wohl aber der Hinweis auf den kleinen Hafen.
Das verschieben der Komfortzone sollte sich über den Tag verteilt noch ein paar mal wiederholen. Der Wind war mittlerweile schon etwas heftiger geworden, machte aber beim Segeln Spaß. Ich durfte bei 7 Bft. unter Segeln ein Ankermanöver durchführen, dann war bereits Mittagszeit. Und unsere Crew hat uns etwas gezaubert. An dieser Stelle muss ich mich wirklich nochmals bei Axel und Gerald für den grandiosen Service bedanken. Wir wurden immer wieder freundlich und dezent daran erinnert, zu trinken, doch mal einen Riegel oder Obst zu essen, u.s.w. Das stärkt die Moral und hält die Konzentrationsfähigkeit oben. Dieses kollegiale Miteinander kann ich wieder nur als Praxistipp mitgeben. Es ist nicht verboten sich gegenseitig zu unterstützen, im Gegenteil. Der Prüfer sieht bzw. spürt den Zusammenhalt und die gute Kammeradschaft auch.
Wir wurden also immer wieder im Wechsel mit verschiedenen Aufgaben konfrontiert, während der eine segelte, wurde der andere unter Deck mit dem Pilotage-Plan beschäftigt oder es durfte mal kurz ein Course-to-steer im Bristol-Channel an besonders interessanten Stellen gerechnet werden. Man muss wissen, im Bristol-Channel sind die zweithöchsten Tidenunterschiede der Welt. Nur in British-Columbia in Kanda gibt es höhere Gezeitenunterschiede. Deswegen kann es u.U. auf Grund der Strömunmg auch mal unmöglich sein oder zumindest sehr lange Dauern bis man bestimmte Passagen genommen hat.
Mein Highlight, bzw. meine Herausforderung war das Ankermanöver unter Segeln. Bei normalen Verhältnissen ist es eigentlich schöner unter Segeln als unter Motor zu ankern. Bei uns waren es aber ca. 7 Bft und in Böen 8. Mal ehrlich, wer macht das regelmäßig unter Segeln?Also guten Untergrund finden, am besten in einer Abdeckung, dass weder Schwell noch Wind uns zu sehr in der Mittagspause stören.
Das Vorsegel wurde dann weggerollt, damit bei der Bedienung des Ankers niemand durch schlagende Schoten oder Segel verletzt wird. Den Ankerplatz habe ich dann mit Spill-and-Fill, also ähnlich wie bei einem Beinahe-Aufschießer langsam angesteuert, den Anker fallen lassen, dann das Groß geborgen und den Rest hat dann der Wind erledigt. Ich hatte das bis dahin noch nie unter solchen Bedingungen gemacht, aber es ging dann doch besser als erwartet. Klar, die Crew muss gut eingespielt sein, bei solchen Bedingungen hört man auch kein Rufen mehr. Also klare Zeichensprache und ggf. eine Person als Relais auf halber Strecke auf Höhe es Mastes.
Während der Mittagspause fragte mich Stephen dann (auch ganz beiläufig), was ich denn so machen würde, wenn ich dieses Boot zurück nach England überführen wollte … und schon hatte ich wieder ein Thema, das vom Masttop bis unter Deck alle relevanten Stellen gestreift hat um auch wirklich alle Vokabeln nochmals rauskramen zu können. Die Frage sehe ich aber als absolut Praxisrelevant an, denn wir dürfen ja als Yachtmaster solche Passagen auch durchführen.
Es gab noch Rettungsmanöver, die zu segeln bzw. fahren waren und irgend wann ein gemeinsames Abendessen in der Marina Rubicon. Die Rückfahrt nach Porto Callero sollte in die Nacht fallen, damit wir zum einen noch Rechtzeitig zum Feiern wieder in der Kneipe sein konnten, allerdings machten alle Bars Corona-bedingt auch um 22:00 zu.
In der Nacht durften wir wieder peilen, mussten bestimmte Positionen auf der Karte anfahren und durch Peilungen bestätigen, Leuchtfeuer anhand von Kennungen identifizieren und abschätzen wann wir wieder im Hafen sind. (Nicht zuletzt auch wegen unserem Ausklang)
Da Hubi am Tage bereits angelegt hatte, war es bei mir dann in der Nacht so weit, dass ich unsere Yacht rückwärts in die Box bringen und fachgerecht festmachen durfte. Auch hier wieder wichtig, Rollen verteilen, klare Aufgaben geben, vorab durchsprechen, etc. und nachdem der Motor dann aus war, und wir der Reihe nach bei Stephen zum Debriefing unter Deck erschienen waren, konnten wir und dann auch auf das Bier in der Bar freuen.
Clemens hatte das Debriefing entsprechend angekündigt, als ein sehr umfassendes, wertschätzendes und tiefgreifendes Feedback-Gespräch. Bei mir war es das kürzeste, das ich bis dahin hatte. Stephen meinte nur „Michael, you passed with flying colors“ und gratulierte mir. Jetzt war ich zum einen erleichtert, da ich bestanden hatte, aber auch ein wenig enttäuscht, da das ausgiebige Feedback sehr kurz ausgefallen ist. Aber im Laufe des Abends kam dann auch Stolz und Freude dazu, denn das war schon ein verdammt dickes Lob von einem professionellen Captain.
Zum Glück haben unsere Freunde und Kollegen, die keine Prüfung hatten, genügend Bier eingekauft. Denn das Intermezzo in der Bar war entsprechend kurz, da wir fast genau zur Sperrstunde erst ankamen. Aber die last Orders haben wir noch loswerden können, sind dann aber schnell wieder zurück auf das Boot noch ein wenig zu feiern. Aber auch nicht zu lange, denn am anderen Morgen sollten unsere beiden Kollegen ja ein ähnliches Programm genauso erfolgreich absolvieren.
Hat es sich gelohnt? Da muss ich mit einem ganz klaren „Ja“ antworten. Neue Kollegen, ein neues Revier, eine neue Situation, u.s.w. Ja, es hat sich gelohnt. Ich selbst habe mich in diesen Jahre weiter entwickelt und viel dazu gelernt.
Es ist zwar in gewisser Weise ein Schlusspunkt. Doch der Weg dorthin, ist mindestens genau so wichtig, wie einprägsam und erfüllend gewesen. Am Ende die Bestätigung zu bekommen, eine der anspruchsvollsten Prüfungen der Branche mit Bravour bestanden zu haben, lässt einen schon ein wenig „wachsen“. Ich blicke heute gerne darauf zurück, fast ein Jahr danach und ich bin emotional gleich wieder dort und würde gerne einfach immer weiter machen …
Deswegen freue ich mich auf die neue Saison. Aktuell gebe ich bereits wieder Skippertrainings, Online-Seminare und hoffe noch auf viele Törns, bei denen ich meine Begeisterung an meine Mitseglerinnen und Mitsegler weiter geben kann.
Spätestens jetzt, also nach meinem Törn im Solent, der mir in Sachen Bootshandling wirklich sehr viel gebracht hat, begann ich regelmäßig englische Segel- und Bootsbauvideos auf Youtube zu konsumieren. Denn irgend wie wollte ich mir auch die Fachausdrücke aneignen. Über die Berufsjahre hinweg ist mein Schulenglisch, von einer „Schreibe“ langsam zu einer Sprache geworden. Die Sache mit der Schreibe ist eine Zeiterscheinung. Denn bereits bei meinen Kindern konnte ich feststellen, dass viel mehr auf Hörverstehen und Sprechen geachtet wurde als zu meiner Zeit.
Aber Segelvokabeln oder die Bezeichnungen aller Einzelteile eines Botes vom Kielbolzen bis zur Mastspitze kamen leider nirgendwo vor. Wir alle kennen vielleicht noch den ersten Moment aus dem Segelkurs, als plötzlich komische Begriffe und Redewendungen auf deutsch verwendet wurden … die sich aber wie eine andere Sprache anhörten? Jetzt beginnt das also nochmal, nur auf Englisch.
Dies soll als Vorrede und Hinführung zum Thema reichen, Kurz gesagt, das Projekt Yachtmaster begleitet mich nun schon viele Jahre und ich habe immer wieder ein Teil zum Puzzle hinzugefügt. Die konnte ich dann auch wunderbar an der Dokumentation meiner „Meilen“ für die Zulassung sehen. Gezeitenmeilen, Nachtfahrten, Passagen mit mehr als 60 sm und auch weiter als 60 sm vom Land entfernt.
Wenn ihr die genauen Kriterien wissen wollt, dann schaut auf den Seiten der RYA. (YM Coastal: 800 sm, min. 400 im Gezeitengewässer, YM Offshore 2500 sm, min. 1250 im Gezeitengewässer)
Da müssen auch die Ostsee-Segler mal raus ins Gezeitenrevier. Kurz gesagt, bei der RYA werden keine Scheine „abgehakt“ sondern das dauert eine ganze Weile. Erfahrung kommt eben von Fahren! Da ein YM Offshore oder Ocean mit dem sogenannten Commercial Endorsment als Berufsausbildung oder Berufsqualifikation gilt, ist es eben auch nicht verwunderlich, dass die Seefahrerin oder der Seefahrer ein gerüttelt Maß an praktischer Erfahrung braucht.
Es sind eben ein paar Seemeilen mehr, als die 300 sm für den SKS oder 700 nach dem SKS bzw. 1000 sm nach dem SBF für den SSS, die man hier nachweisen muss.
Nun gibt es andere Seglerinnen und Segler, die bereits einmal um die Welt oder zumindest bis in die Karibik und zurück gesegelt sind. Es gibt Blauwasserprofis, Youtuber mit einem Segelkanal oder auch andere, die den Teil locker aus dem Fundus ihrer zehntausender Seemeilen quasi wie aus dem Ärmel schütteln. Aber als ein Segler aus dem „Heer der Werktätigen“ bastelt man eben zwischen Job und Familie etwas länger dran.
Genau solche interessanten Menschen sollte ich dann auch im Theorieseminar bei MCO Sailing Academy in Stams in Tirol treffen. Irgend wie hat es sich herumgesprochen, dass man bei Clemens in unglaublich schönem Ambiente, eine didaktisch und rhetorisch wirklich ansprechende und zugewandte Ausbildung erhält, die ihresgleichen sucht.
Da ich quasi nur wenige Autokilometer entfernt wohne, war die Option mit MCO Sailing-Academy in Stams als Ausbildungsort, statt in Essen (Die Yacht-Skipper Akademie) oder gleich irgendwo in England einfach auch logistisch die verlockendere Alternative. Also meldete ich mich bei Clemens an.
Um gut vorbereitet zu sein, hatte ich mich auf Empfehlung von Clemens, unserem Yachtmaster Instructor und Principal von MCO Sailing Academy für ein zweiwöchiges Finale entschieden.
Wir sind zu dritt gemeinsam ab Dornbirn nach Basel gefahren um den einzigen Direktflug, den es zu der Zeit gab, auf die Kanaren, genauer gesagt nach Arrecife auf Lanzarote zu nehmen.
Ich bin direkt bis zu Clemens gefahren und sind in morgendlicher Dunkelheit und Frühe von seinem Haus bis nach Dornbirn gefahren, wo Clemens das Auto problemlos parken konnte. Dort hat uns Michael, der aus Innsbruck hergefahren war, in sein Auto geladen und die „Navigation“ bis Basel übernommen.
Nach einer wirklich kurzweiligen Fahrt kamen wir schließlich in Basel-Mulhuse an. Wir parkten in Mulhuse auf einem Langzeitparkplatz, trafen Jochen, der bereits dort auf uns wartete und wurden vom Shuttleservice direkt zum Flugplatz gefahren und gefühlt sind wir nach einem Nickerchen im Flieger schon in Arrecife auf Lanzarote gelandet.
Warum in aller Welt ausgerechnet Lanzarote? Nun, die Corona-Pandemie ist immer noch nicht vorbei, es ist sehr schwierig nach England zu kommen und auch wieder zurück. Man muss in Quarantäne bei der Einreise und auch wieder bei der Rückkehr. Also ist es leider nicht möglich für eine oder zwei Wochen nach England zu reisen um in einer sehr anspruchsvollen Umgebung die Prüfung zu absolvieren.
Aus diesem Umstand hat Clemens eine Tugend gemacht und wurde von einer RYA Ausbildungsbasis auf Lanzarote freundlich aufgenommen. Endeavour Sailing, vertreten durch Stephanie und Keith Charlton, beide sind wie ihre Boote schon etwas in die Jahre gekommen, haben alles bereit gestellt was wir brauchten. Dadurch ergab es sich auch, dass MCO Sailing nun eine eigene Basis auf Lanzarote aufbauen konnte. Die beiden hatten es Clemens gleich ans Herz gelegt. Und mit dem Partner Lava Charter in Arreceife wurde es dann auch möglich gut gewartete Boote für die Ausbildungstörns zu chartern.
Ähnlich wie bei der BG-See Abnahme für Ausbildungsboote in Deutschland, verhält es sich bei der RYA. Ein Betrieb muss akkreditiert sein und die Boote müssen auch den RYA Standards entsprechen. Hier wird auch alles getan um die Qualität auf allen Ebenen zu sichern.
Wir durften also mit den Endeavour Booten trainieren und unsere Prüfung machen.
Um an der Prüfung teilnehmen zu dürfen, waren bei mir im Jahr zuvor zwei intensive Wochenenden in Stams in Tirol zu absolvieren. Die Theorie, die zugegeben im englischen System nicht den selben Stellenwert hat, wie im Deutschen, musste mit einem positivem Assessment abgeschlossen werden. Verglichen mit der wirklich anspruchsvollen und aufwändigen Prüfung zum deutschen SSS war es wirklich machbar. Jedoch sei hier jeder gewarnt, dass was in der Prüfung verlangt wird, muss dann auf dem Boot in Extremsituationen auch sitzen. Einen Course-to-Steer, eine Height-of-Tide, Dead-Reckoning oder eine Estimated-Position muss man aus dem Ärmel schütteln können. Dazu braucht man auch keinen Kurs, denn Aufgaben und Lösungen gibt es genug.
Das Schöne am englischen System ist, es wird weniger gerechnet, aber dafür viel gezeichnet. Alle Formen grafischer Lösungen funktionieren eben einfach besser, als z.B. das Rechenschema für die Höhe der Gezeit.
Diese Woche sollte intensiv und lehrreich werden, in jeder Beziehung. Jochen und Gregor waren die beiden ersten Kandidaten.
Beide bekamen von Clemens Karten, einen Reeds-Almanach und jeweils eine Aufgabe für einen Passagenplan für eine Kanalquerung und eine Passage zu den Kanalinseln. Diesen Passage-Plan, muss jeder Prüfling dann „verteidigen“. Der Prüfer lässt sich den Plan erklären und stellt ein paar Fragen dazu. Es ist viel Fleißarbeit zu leisten und wenn das passt, gibt es wieder Sicherheit in der Prüfung. Ein Prüfer merkt sofort ob man den Plan „kennt“, ihn also selbst angefertigt hat, oder ob es heir Wissenslücken gibt. Deswegen sollte niemand enttäuscht sein, wenn das Kapitel scheinbar schnell abgehakt wird.
Wir durften intensiv Ablegen, Anlegen, Wenden auf engem Raum und noch vieles mehr üben, denn schließlich soll das Bootshandling auch sitzen. Es ist ein fremdes Boot, eine fremde Crew und wir mussten erst einmal alle zusammenwachsen zu einem Team.
Mitten bei den Hafenmanövern sagte Clemens dann: „So, Euer Motor ist ausgefallen!“ Also schnell die Segel gesetzt und sicher an einem geeigneten Steg unter Segeln angelegt. Genau solche kleinen Einschübe, werden auch in der Prüfung gemacht. Du bekommst eine leichte Aufgabe und der Stresslevel wird langsam immer höher gefahren und du wirst beobachtet, wie du damit umgehst, egal ob plötzlich Instrumente, der Motor oder was auch immer ausfällt.
An dieser Stelle sei auch erwähnt, dass jeder einmal einen Fehler macht oder eine Situation falsch einschätzt. Das ist kein Grund durchzufallen. Sondern hier wird genau darauf geachtet, wie du als Schiffsführer in der Ruhe bleibst und dich wieder aus der Situation befreien kannst.
Bei unserem zweiten Boot ist z.B. bei rauer See und ordentlich Wind die Kette vom Steuerrad gesprungen und die Kollegen waren nicht mehr manövrierfähig. Sie haben uns über Funk angerufen und wir waren schnell zu Stelle. Aber der RYA Ausbilder bei ihnen an Bord hatte natürlich die Lage unter Kontrolle. Solange der Ruderquadrant nicht zerstört ist oder das Ruder selbst fehlt, kann z.B. noch mit dem Autopilot gesteuert werden. Die Kollegen haben dann die Notpinne angeschlagen und einige sehr kräftezehrenden Minuten gehabt, bis wir dann beide in der Marina Rubicon sicher vertäut lagen.
Clemens hat uns dann noch ganz viel Leinenhandling, Leinenwurftechniken und clevere Möglichkeiten das Boot im Hafen zu verholen gezeigt. Es war wieder viel neues dabei.
Wir übten das ganze Programm nochmals durch, vom Security-Breefing über Blind-Navigation, Man-over-Board-Drill und Find-the-Spot im Hellen wie im Dunkeln.
Den krönenden Abschluss dieser Woche bildete dann die Prüfung von Gerald und Jochen. Beide waren schon für eine Woche vor Ort gewesen und kannten das Revier bereits. Die Beiden wurden von Clemens auch ein bisschen rangenommen, durften durch virtuelle Felsstürze vor der Hafeneinfahrt hindurch navigieren. Ich habe schnell verstanden, dass es nur auf die Kreativität der Prüfenden ankommt und nicht nur auf das Revier. Man kann eben auch hier auf den Kanaren eine Woche mehr als interessant und lehrreich gestalten. Plötzlich sind Hindernisse in der Karte eingezeichnet und mit denen musst du dann umgehen können.
Hubi und ich hatten dann die Ehre und das Vergnügen, bei Jochen und Gerald als Crew mit dabei zu sein. Dadurch konnten wir Stephen unseren Prüfer schon ein wenig kennenlernen. Als er dann die Passagenpläne von den beiden sah, meinte er nur er hätte da etwas für unsere Prüfung. Später stellte sich heraus, dass er seine privaten Karten vom Bristol-Cannel dabei hatte und wir bekamen dann auch entsprechende Aufgaben. Uns war klar, die mussten sitzen. Denn wenn wir irgendwo patzten, im Heimatrevier unseres Prüfers, würde er es sofort merken. Es sollte jedenfalls interessant werden.
Für Gregor und Jochen war es das bereits jetzt. Denn als alter Regattasegler legte Stephen sehr großen Wert auf optimal getrimmte Segel. Und immer wieder fragte er Jochen: „Are you happy with your sails?„ Eigentlich klar, was er wollte, oder? Es ist sicher nicht üblich, dass ein Prüfer so direkt auf das Thema Segeltrimm eingeht. Mir scheint es aber mehr als Verständlich. Denn ich hatte auch schon öfters altgediente und sehr erfahren Regattasegler dabei auf Törns. Da wird immer gezupft und gefiert und dichter geholt und Holepunkte versetzt … Sprich, es war nie langweilig.
Der Prüfungstag der beiden neigte sich dann dem Ende zu, beide haben ihren Teil sehr gut gemacht und wir konnten sie am Abend auch gebührend feiern. Zwei weitere Yachtmaster … Cheers!
Und dann sollte unsere finale Woche mit Prüfung beginnen.
Der Autor macht sich Gedanken zum Thema Yachtmaster-Ausbildung, die Unterschiede zwischen den einzelnen Ausbildungssystemen (RYA, DSV, DMYV) und zum eigenen seglerischen Werdegang. In mehreren Beiträgen werden An- und Einsichten vertieft. Hier geht es also um den Einstieg und die Motivation, warum man sich nochmals einer Ausbildung unterziehen sollte, wo man doch bereits nahezu „ausgelernt“ hat. Aber: man lernt ja nie aus … zum Glück!
Den Gedanken, die RYA Ausbildung zum Yachtmaster zu machen, hatte ich schon vor ziemlich langer Zeit. Im deutschen System habe ich es über die Jahre auch bis zum Sport Seeschiffer Schein gebracht. Ursprünglich meinte ich, dass der SBF-See ausreichend sei, denn ich wollte höchstens selbst irgend wo mal ein Boot chartern.
Die Ausbildung zum SKS nahm ich dann 2013 selbst in die Hände, fast 7 Jahre nach meinem offiziellen Einstieg in die Segelei. Eigentlich kann man mich ja als spätberufenen Bezeichnen, denn mit 18 oder 19 begann ich als Surfer am Gardasee und bin eher unwissend was ich da tue, aber mit viel Bauchgefühl immer mal wieder mit Bekannten zum Segeln gegangen. Aber jetzt suchte mir eine Schule in der ich die SKS-Theorie absolvieren konnte. Die Ausbildung begnügte sich damit, Navigationsaufgaben zu lösen. „Den Rest könnt ihr selber auswendig lernen …“ waren die Worte des Trainers. Besonders befriedigt hat mich das damals nicht. Mittlerweile bilde ich selbst aus und die Navigation hat immer noch einen hohen Stellenwert, aber Themen wie Seemannschaft, also Geschichten aus dem Leben oder Wetterkunde und auch Recht haben ihren Platz und gehören in den Fächerkanon.
Für die praktische Übung habe ich mir ein Unternehmen am IJsselmeer in den Niederlanden gesucht. Einer der Eigner des Bootes war aus Deutschland, der andere, ein Pensionär, aus den Niederlanden, der uns auch die ganze Woche vor Ort bereut hat. Das war schon ganz gut, denn beide waren Praktiker und ich konnte einiges an Neuem mitnehmen. Die Prüfung fand damals vor einem deutschen Prüfungsausschuss bei ziemlich widrigen Verhältnissen statt und wurde dann auch abgebrochen, weil wir Wind im Bereich von 30-40 Knoten hatten.
Aber genau da wird es doch interessant! Was ist denn, wenn ich als verantwortlicher Skipper mal in solche Verhältnisse komme? Wie lege ich bei 40 Knoten Wind sicher an? Welche Manöver funktionieren sicher? Gewiss, das muss man nicht in einer Prüfung lernen. Hier wurde die Saat gesät, denn ein Jahr später fand ich mich mit meinem Segelfreund Alex in Southampton am River Hamble bei „Die Yachtakademie“ und Bernd Reese ein. Wir hatten uns im Februar für ein Winter-Sturmtraining im Solent angemeldet.
Die oben erwähnte SKS-Prüfung wurde dann bei etwas besseren Verhältnissen wiederholt und alle Prüflinge haben letztendlich auch bestanden. Aber irgend wie hat mich das gewurmt, denn eigentlich wollte ich mir beweisen, dass ich es auch beim solchen Verhältnissen kann. Das wäre beim ersten „Versuch“ sicher für einige nach hinten los gegangenen und war natürlich u.A. ein Grund für den Abbruch der Prüfung.
Nachdem ich die Möglichkeit bekam für eine Segelschule Törns als Skipper zu fahren, war klar „Sobald du das für Geld und ein deutsches Unternehmen machst, benötigst du den SSS.“ So ähnlich hatte es mir Florian, der jetzige Leiter der Segelschule verkauft und ich fand mich statt auf einem Boot in einem SSS-Kurs wieder.
Verständlich, denn zum einen bildet man an Bord SKS-Anwärter aus und bewegt sich in Bereichen, in denen der SBF-See, bzw. SKS nicht mehr ausreicht. Besonders aus versicherungstechnischer und Haftungssicht kann es eigentlich gar nicht anders gehen.
Im Laufe meiner Segelei habe ich auch einige Skandinavier getroffen, die überhaupt keine „Scheine“ oder Befähigungsnachweise kennen. Wenn du da ein Boot chartern willst, dann fragt der Vercharterer ziemlich genau wo, wann und wieviel du bereits gesegelt bist. Mit welchen Yachten, mit welcher Crew, u.s.w. Den Rest versucht er über die Kaution abzufedern.
In südlichen Gefilden gibt es u.A. auch andere Herangehensweisen. Ich will jetzt nicht schlecht über z.B. die kroatischen Scheine sprechen, aber es gibt ja diese Horrorgeschichten, wo man „Skipper“ nach einer halben Stunde Üben im Hafen auf die Menschheit los und in die Bora enlässt.
Jedoch in Österreich, der Schweiz und auch Deutschland gibt es eine fundierte und je nach Ausbildungsbetrieb auch mehr oder weniger praxisgerechte und gute Ausbildung. Jedoch gilt hier, wie überhaupt, „manchmal trügt der Schein“. Denn die Ausbildung hat einen sehr starken Theoriefokus. Das ist jetzt erstmal nicht schlecht, aber am Ende des Tages bewegen wir uns alle auf dem Wasser und nicht auf einem Prüfungsbogen oder mit dem Bleistift auf der Seekarte.
Mit zunehmender Beschäftigung mit dem Thema habe ich natürlich auch vom britischen System der RYA (Royal Yachting Association) gehört. Damals fand ich in Deutschland genau zwei Anbieter, die im Solent (Isle of Wight) Praxistörns angeboten haben. Ein befreundeter Segellehrer riet mir von einem der beiden Unternehmen gleich ab, denn er und auch andere hätten dort schlechte Erfahrungen gemacht. Ich kann es nicht nachvollziehen, habe mich aber natürlich dann, wie oben schon erwähnt doch lieber bei Bernd Reese angemeldet und eine Woche im Solent absolviert. Nachtansteuerungen, Pilotage, Blind Navigation, An- und Ablegen bei starken Strom. Rettungsmanöver mit Motorunterstützung, die bei jedem Wetter und allen Verhältnissen funktionieren und vieles mehr. Allerdings hat Bernd mir auch ganz klar die Länge des Weges aufgezeigt. Denn um irgendwann einmal Yachtmaster zu sein, müssen wirklich viele Meilen gesegelt werden. Darauf werde ich noch intensiver eingehen.
Was ist jetzt da also anders oder sogar besser? Es gibt ein paar gute Artikel in Fachzeitschriften, die sich intensiv damit auseinander gesetzt haben. Aus heutiger Sicht kenn ich es in etwa so zusammenfassen:
Ja, es gibt bei der RYA eine theoretische Prüfung, wie bei uns, aber der Fokus liegt ganz klar auf der Praxis. Zum einen werden Gezeitenmeilen verlangt, zum anderen auch Nachtfahrten. In einem Zeitschriftenbeitrag in der Yacht wurde es ähnlich zusammengefasst: Jemand mit SSS kann ohne großen Aufwand die RYA Theorieprüfung bestehen. Ein Yachtmaster Offshore wird nicht ohne Zusatzausbildung die deutsche SSS-Prüfung bestehen können. In der Praxis sieht das ganze komplett anders aus, wer nicht intensiv im Gezeitenrevier und auch bei z.B. Kanal-Passagen oder direkt im Solent geübt hat, wird bei der praktischen Prüfung mit Pauken und Trompeten unter gehen.
Und zu guter letzt findet das Ganze ja auch noch in englischer Sprache mit englischen Prüfern statt. Pro Prüfling kann das schon mal zwischen acht und 16 Stunden dauern. Also eine ganz andere Art der Prüfung. Doch dazu später mehr.
Mittlerweile haben wir ja 2021. Aber wo sind denn die ganzen Beiträge von 2020? Ganz einfach, es gibt keine. Denn seglerisch fand für mich 2020 nicht statt. Zumindest nicht im Salzwasser. Die Reisebeschränkungen und die Quarantäne-Maßnahmen haben dazu geführt, dass sich die meisten Mitsegler (und Charter-Kunden) gegen ihren gebuchten Törn entschieden haben.
Dabei war ich mehrfach so nah dran …. Flüge waren gebucht, Yachten gechartert und kurz vor dem Törn in Portugal wird die Region Lissabon zum Hochrisikogebiet erklärt. Natürlich wären wir alle mit einem negativen PCR-Test angetreten, natürlich hätten wir die üblichen Regeln eingehalten und uns nur in unserer „Boubble“ auf dem Boot bewegt, oder an Land nur mit Maske. Aber am Ende drohte für alle eine Quarantäne bis zum negativen Test. Und genau da hatte der Spass dann ein Loch. Die Arbeitgeber haben dafür kein Verständnis. Keiner war bereit das auf sich zu nehmen. Aus heutiger Sich, wo viele sowieso im Homeoffice sind und garnicht in die Büros oder Firmen gehen, sieht dies wieder anders aus. Aber alle Kolleginnen und Kollegen, die im Handwerk oder personennaher Dienstleistung arbeiten können natürlich nicht ins „Home-Office“.
Also waren die Entscheidungen sicher richtig und vernünftig. Dennoch war es schmerzlich. In meinem Fall viel auch noch ein RYA Yachtmaster Training und eine Prüfung „ins Wasser“. Für November 2020 hatte ich mich mit großer Vorfreude und großen Erwartungen für zwei Wochen im englischen Solent angemeldet. Die Theorie und die sonstigen Vorbereitungen waren schon 2019 gelaufen. Und 2020 sollte mein persönlich wichtigster Segeltörn eben diese zwei Wochen im Solent sein. Aber auch hier siegte die Vorsicht und die Vernunft vor der Herzensangelegenheit.
Mittlerweile sehen wir ja etwas Licht am Ende des Tunnels. Dadurch, dass ich meinen Vater pflege, ist es möglich gewesen schon früher einen Impftermin zu bekommen. So wurde sein 2. Impftermin gleichzeitig mein erster. Dabei bedeutete das, dass ich immer wieder Nachts, ab 0:00 die einzelnen Impfzentren im Internet nach möglichen Terminen abgeklappert habe.
Und irgend wann hat es dann im Landesimpfzentrum in Ulm geklappt. Ich habe meinen Vater dort hin gefahren und ihn durch den absolut vorbildlich organisierten Prozess begleitet. Der gesamte Durchlauf dauerte keine Stunde, aber wir mussten nach Ulm und auch wieder zurück fahren. Das habe ich aber gerne auf mich genommen, dann wir wollten einfach, dass er geschützt ist und auch wieder ohne Angst in Öffentlichkeit kann, die er seit dem Tod meiner Mutter im August 2020 nur noch selten aufsuchte.
Wie gesagt, hatte ich den Tipp bekommen, dass ich versuchen soll, die Termine auf den selben Tag zu legen. Was auch problemlos kappte. Allerdings war es unmöglich, die Uhrzeiten über die Hotline zu synchronisieren. Aus diesem Grund sind wir dann einfach auf gut Glück zu meiner Impfzeit in Ulm erschienen. Ich hatte ein ungutes Gefühl, dass ich evtl. zwei mal am Tag hin- und wieder zurück fahren muss. Aber das stellte sich dann als unbegründet heraus. Es war überhaupt kein Problem. Sobald für den Tag eine Impfdosis reserviert ist, ist die Uhrzeit unerheblich. Ich begleitete meinen Vater also wie gehabt durch seinen Impfprozess und ich durfte dann in die andere Halle und mich selbst impfen lassen. Ich bekam Astra Zeneca und mein Vater wie beim ersten Mal BioNtech.
Kurz vorher gab es noch Aufregung wegen der Zulassung von Astra. Zum Glück war nach dem ganzen hin und her zu meinem Termin Astra wieder zugelassen. Ich habe es natürlich genommen, dann eine Impfung bedeutet immer ein Risiko. Aber eben auch Schutz für mich und andere. Deswegen war ich trotz der schlechten Presse auch mit Astra einverstanden.
Die Immunreaktion war deutlich zu spüren. Und laut eines befreundeten segelnden Arztes ist auch der Schutz nach der Erstimpfung bei Astra schon sehr hoch. Warum erzähle ich das nun alles so ausführlich? Ganz einfach ich wollte natürlich meinen Yachtmaster-Törn und die Prüfung nachholen und mich, meine Familie und besonders meinen Vater schützen.
Gerade komme ich wieder zurück von einem wunderschönen Balearen-Törn. Man kann von diesen tollen Inseln einfach nicht genug bekommen. Zum einen war es für mich ein wirklich besonderer Törn, da dieses mal mein Sohn auf seinem ersten See-Törn mitgefahren ist, zum anderen war es eine ganz besondere Crew, die sich mir anvertraut hatte.
Es waren drei wirkliche „Newbees“ dabei, die sich selbst eher als Motorbootfahrer sahen. Ich schreibe sahen, denn auf diesem Törn wurden alle zu Seglern. Selten habe ich jemanden so schnell und wissbegierig lernen sehen. Zwei Damen hatten bereits Segelerfahrung und sind Wiederholungstäter. Und wir hatten zusätzlich einen erfahrenen Regattasegler mit an Bord. Das machte es besonders interessant. Zum einen war er selbst noch nie mit einem Dickschiff auf Törn, zum anderen konnten nun zwei Stimmen zur Crew sprechen. Wenn es um Schiffsführung, Sicherheit, An- und Ablegen ging, dann war das mein Part. Aber kaum waren wir unter Segeln unterwegs, da konnte man erleben mit welcher Hingabe und natürlich auch welchem Erfolg Segel getrimmt werden können. Oder wie feinfühlig man ein Boot genau auf Kurs und der optimalen Geschwindigkeit halten kann. Aus diesem Grund würde ich den Törn als Segeln mit „Steuer-Berater“ bezeichnen. Didaktisch ist es natürlich perfekt, wenn sich zwei begeisterte Segler abwechseln.
Wir konnten unserer Crew alles bieten. Eine stürmische Überfahrt, ordentlich Wellen, ein bisschen Seekrankheit, Ankern, Liegen an Bojen, einen Schlag mit 70 sm und eine Nachtankunft, Lichter erraten, Seezeichen erkennen, Delfine, Kulinarische Highlights und so weiter und so fort.
Am Ende der Woche sollten 196 sm auf unserer Logge stehen und wir haben trotzdem nur ca. 30 l Diesel nachgetankt. Das kann sich absolut sehen lassen.