Die Prüfung

Der dritte und letzte Teil der Reihe wie man Yachtmaster wird, mit Eindrücken aus der Prüfung.

Es kam der Tag, an dem Hubi und ich Yachtmaster werden sollten. Es war ein Donnerstag (im April 2021). In der letzten Woche waren Gerald und Jochen erfolgreich geprüft worden und wir durften als Crew bereits einen Eindruck bekommen, wie so eine Yachtmaster-Prüfung abläuft.

An einer Prüfung als Crew teilzunehmen kann ich jedem zur Vorbereitung auf jeden Fall ans Herz legen. Zum einen wird klar, wie lange diese Prüfung dann wirklich dauert und zum anderen seht ihr wie vielfältig die Aufgaben des Prüfers über den Tag verteilt sind.

Gregor und Jochen haben es jedenfalls sehr gut gemacht und wir haben Sie am Abend noch gebührend gefeiert. In unserer Prüfungswoche waren wir zu viert. Gerald und Axel, Hubi und ich wollten uns der Aufgabe stellen. Da Gerald und Axel neu zur Crew hinzugekommen sind und Gregor und Jochen abgelöst haben, sollten Sie auch die Chance haben eine Prüfung aus Crew-Perspektive zu erleben. Das bedeutete, dass Hubi und ich als erstes dran waren.

Stephen, ein leidenschaftlicher Segler, der auf einem Motorboot arbeiten „muss“

Der Prüfer, Stephen Hart, wurde extra aus Mallorca eingeflogen. Denn Covid-19 bedingt, konnte keiner der üblichen Examiner aus England zu uns kommen. Im Solent gibt es eine Hand von ganz unterschiedlichen Persönlichkeiten, die regelmäßig für die RYA Prüfungen abnehmen. Stephen, so sollte es sich später herausstellen, ist Captain auf einer Superyacht und mittlerweile hat der die spanische Staatsbürgerschaft. Zum einen also ein EU-Resident und zum anderen war es für ihn ein sehr günstiger Inlandsflug. Ebenso sollte sich später herausstellen, dass er im Bristol-Channel das segeln gelernt hat und auch mal für Großbritannien bei den Olympischen Spielen teilgenommen hat. Aber dazu später mehr ..

Stephen kam also am Vorabend an und wir haben ihn natürlich zum Essen eingeladen. Am Morgen trafen wir uns auf dem Boot, wo er seine obligatorische Cup of Tea erhielt und er dann Hubi bat mit den anderen ein wenig weiter weg zu warten, damit er nicht später den selben Wortlaut wieder hört. Ich war mit der Sicherheitseinweisung dran. Er hat es aber eher wie ein Gespräch unter Fachleuten gestaltet, ich sollte ihm einfach unter Deck und später dann an Deck die Sicherheitseinrichtungen erläutern und erklären was und wie ich es meiner Crew näher bringe. Da ich als Ausbildungsskipper selbst großen Wert darauf lege, war diese erste Aufgabe dann auch gut geeignet um das Adrenalin abzubauen und mich ganz auf diesen Tag und diese Nacht einzulassen. Solltest Du etwas vergessen haben, kommt sicher irgend wann mal eine Frage dazu. Es kann auch sein im Laufe des Tages, ganz beiläufig.

Bei den anderen Kollegen in der Vorwoche habe ich schon gemerkt, dass er bisweilen anfängt Fragen zu stellen oder kurz erklärt was aus seiner Sicht noch wichtig ist. Es meinte dann, ich soll das Boot zum Auslaufen vorbereiten und Hubi wurde in die Mangel genommen. Aber auch hier und dank der Vorarbeit unserer Kollegen in der Vorwoche gab es nichts auszusetzen. Jochen hat z.B. während der Prüfung „entdeckt“ dass das Datum bei den Signalfackeln abgelaufen war. Das hätte uns natürlich vorher schon auffallen können. Letztendlich sind wir dann erst ausgelaufen, als es nichts mehr zu beanstanden gab.

Nun kamen die üblichen, leg mal ab, … ach ich hab was vergessen, fahr nochmal zurück. Bzw. wir fahren zur Tankstelle, da legen wir an. Hier ging es zum einen um das Bootshandling und zum anderen wie mit der Crew kommuniziert wird. Wie wird das Manöver vorher durchgesprochen? Werden die Rollen und Positionen beim Manöver klar zugewiesen? Und am Ende geht es drum, ob sich alle, also auch der Prüfer währenddessen wohl und sicher gefühlt haben.

Der Prüfer sieht dann z.B. einen Fischtrawler am Steg, fragt nach den Tagzeichen oder welche Lichter er in der Nacht zeigen würde. Oder wenn der Trawler ablegt, welches Schallsignal hätte er geben müssen, wenn er es „richtig“ gemacht hätte. Bei unseren Trainings sind dann mitten in den Hafenmanövern auch mal die Motoren ausgefallen und wir mussten schnell reagieren, Segel setzen und dann nur mir Segelunterstützung an einem Steg anlegen und das Boot sicher festmachen. Das kam jetzt in unserer Prüfung nicht vor, aber jeder sollte auf so etwas vorbereitet sein. Ebenso kann plötzlich außer dem Kompass und dem Tiefenmesser alles andere ausfallen, die Sicht schlecht werden und man muss mittels Blind-Navigation sicher in den nächsten Hafen kommen. Also aus allem und jedem kann sich eine „belanglose“ Frage oder Anmerkung ergeben und du musst Rede und Antwort stehen, nebenher die Crew führen und das Boot dorthin navigieren und z.B. einen bestimmten Punkt auf der Seekarte finden und durch einen Three-Point-Fix bestätigen.

Zur Vorbereitung auf den Prüfungstag hatte Stephen uns eine Karte vom Bristol-Channel da gelassen und Hubi und mir jeweils eine Aufgabe für den Passage-Plan gegeben. Wir sollten von unterschiedlichen Ausgangshäfen in einen kleinen Sportboothafen bei Bristol fahren.

Mein Starthafen

In meinem Fall plante ich mit Westwind 5-6, berücksichtigte die Navigational Hazzards, sonstige Hindernisse, etc. und hatte einen schönen Plan mit Pilotage für Start- und Ziel, Schleusenzeiten am Ankunftsort, etc. vorbereitet. Aber er sagte dann: „bevor du mir deinen Passageplan erklärst, lass uns doch mal das heutige Wetter abhören und sag mir dann, wie sich das auf deinen Plan auswirkt.“

Mein Zielhafen

Also musste ich herausbekommen, in welchem See-Gebiet ich unterwegs sein wollte, und aus dem Original-Wetterbericht (Stephen hatte alles auf seinem Smartphone gespeichert), mit original Sprecher und in original Geschwindigkeit alles heraushören, was für mich relevant war.

Dann konnte ich meinen Passageplan überarbeiten, denn wir hatten heute Ostwind und das auch noch ziemlich starken. Daraus ergaben sich einige Tide gegen Strom Situationen, die einer echten Crew sicher die Farbe aus dem Gesicht getrieben hätte. Aber scheinbar konnte ich meinen Plan gut verteidigen, denn er hat kaum Vertiefungsfragen gestellt.

Hier sieht man schon ein wenig das Konzept der Prüfung. Es sind nie unlösbare Aufgaben, aber du hast dich gut vorbereitet und wie im echten Leben kommt kurzfristig irgend etwas als Störfaktor dazu. Man wird durch erhöhen des Stresslevels immer wieder aus seiner Komfort-Zone geholt und dann dabei beobachtet, wie man damit umgeht.

Zum Plan an sich: ich habe natürlich auch mein iPad mit Navionics genutzt. Das würde ich auch „im richtigen Leben“ tun. Dennoch habe ich den gesamten Plan schriftlich abgefasst und Handskizzen mit allen Details angefertigt, für den Fall, dass das iPad nicht geht. Auf der Seekarte habe ich meine Wegepunkte eingezeichnet und im Passageplan beschrieben. Die genauen Schleusenzeiten im Ankunftshafen haben wir schließlich im Internet online herausgesucht. Denn diese waren nicht im Almanach zu finden. Wohl aber der Hinweis auf den kleinen Hafen.

Das verschieben der Komfortzone sollte sich über den Tag verteilt noch ein paar mal wiederholen. Der Wind war mittlerweile schon etwas heftiger geworden, machte aber beim Segeln Spaß. Ich durfte bei 7 Bft. unter Segeln ein Ankermanöver durchführen, dann war bereits Mittagszeit. Und unsere Crew hat uns etwas gezaubert. An dieser Stelle muss ich mich wirklich nochmals bei Axel und Gerald für den grandiosen Service bedanken. Wir wurden immer wieder freundlich und dezent daran erinnert, zu trinken, doch mal einen Riegel oder Obst zu essen, u.s.w. Das stärkt die Moral und hält die Konzentrationsfähigkeit oben. Dieses kollegiale Miteinander kann ich wieder nur als Praxistipp mitgeben. Es ist nicht verboten sich gegenseitig zu unterstützen, im Gegenteil. Der Prüfer sieht bzw. spürt den Zusammenhalt und die gute Kammeradschaft auch.

Wir wurden also immer wieder im Wechsel mit verschiedenen Aufgaben konfrontiert, während der eine segelte, wurde der andere unter Deck mit dem Pilotage-Plan beschäftigt oder es durfte mal kurz ein Course-to-steer im Bristol-Channel an besonders interessanten Stellen gerechnet werden. Man muss wissen, im Bristol-Channel sind die zweithöchsten Tidenunterschiede der Welt. Nur in British-Columbia in Kanda gibt es höhere Gezeitenunterschiede. Deswegen kann es u.U. auf Grund der Strömunmg auch mal unmöglich sein oder zumindest sehr lange Dauern bis man bestimmte Passagen genommen hat.

Mein Highlight, bzw. meine Herausforderung war das Ankermanöver unter Segeln. Bei normalen Verhältnissen ist es eigentlich schöner unter Segeln als unter Motor zu ankern. Bei uns waren es aber ca. 7 Bft und in Böen 8. Mal ehrlich, wer macht das regelmäßig unter Segeln?Also guten Untergrund finden, am besten in einer Abdeckung, dass weder Schwell noch Wind uns zu sehr in der Mittagspause stören.

Das Vorsegel wurde dann weggerollt, damit bei der Bedienung des Ankers niemand durch schlagende Schoten oder Segel verletzt wird. Den Ankerplatz habe ich dann mit Spill-and-Fill, also ähnlich wie bei einem Beinahe-Aufschießer langsam angesteuert, den Anker fallen lassen, dann das Groß geborgen und den Rest hat dann der Wind erledigt. Ich hatte das bis dahin noch nie unter solchen Bedingungen gemacht, aber es ging dann doch besser als erwartet. Klar, die Crew muss gut eingespielt sein, bei solchen Bedingungen hört man auch kein Rufen mehr. Also klare Zeichensprache und ggf. eine Person als Relais auf halber Strecke auf Höhe es Mastes.

Während der Mittagspause fragte mich Stephen dann (auch ganz beiläufig), was ich denn so machen würde, wenn ich dieses Boot zurück nach England überführen wollte … und schon hatte ich wieder ein Thema, das vom Masttop bis unter Deck alle relevanten Stellen gestreift hat um auch wirklich alle Vokabeln nochmals rauskramen zu können. Die Frage sehe ich aber als absolut Praxisrelevant an, denn wir dürfen ja als Yachtmaster solche Passagen auch durchführen.

Course-to-Steer nach einem langen Prüfungstag

Es gab noch Rettungsmanöver, die zu segeln bzw. fahren waren und irgend wann ein gemeinsames Abendessen in der Marina Rubicon. Die Rückfahrt nach Porto Callero sollte in die Nacht fallen, damit wir zum einen noch Rechtzeitig zum Feiern wieder in der Kneipe sein konnten, allerdings machten alle Bars Corona-bedingt auch um 22:00 zu.

In der Nacht durften wir wieder peilen, mussten bestimmte Positionen auf der Karte anfahren und durch Peilungen bestätigen, Leuchtfeuer anhand von Kennungen identifizieren und abschätzen wann wir wieder im Hafen sind. (Nicht zuletzt auch wegen unserem Ausklang)

Da Hubi am Tage bereits angelegt hatte, war es bei mir dann in der Nacht so weit, dass ich unsere Yacht rückwärts in die Box bringen und fachgerecht festmachen durfte. Auch hier wieder wichtig, Rollen verteilen, klare Aufgaben geben, vorab durchsprechen, etc. und nachdem der Motor dann aus war, und wir der Reihe nach bei Stephen zum Debriefing unter Deck erschienen waren, konnten wir und dann auch auf das Bier in der Bar freuen.

Clemens hatte das Debriefing entsprechend angekündigt, als ein sehr umfassendes, wertschätzendes und tiefgreifendes Feedback-Gespräch. Bei mir war es das kürzeste, das ich bis dahin hatte. Stephen meinte nur „Michael, you passed with flying colors“ und gratulierte mir. Jetzt war ich zum einen erleichtert, da ich bestanden hatte, aber auch ein wenig enttäuscht, da das ausgiebige Feedback sehr kurz ausgefallen ist. Aber im Laufe des Abends kam dann auch Stolz und Freude dazu, denn das war schon ein verdammt dickes Lob von einem professionellen Captain.

Zum Glück haben unsere Freunde und Kollegen, die keine Prüfung hatten, genügend Bier eingekauft. Denn das Intermezzo in der Bar war entsprechend kurz, da wir fast genau zur Sperrstunde erst ankamen. Aber die last Orders haben wir noch loswerden können, sind dann aber schnell wieder zurück auf das Boot noch ein wenig zu feiern. Aber auch nicht zu lange, denn am anderen Morgen sollten unsere beiden Kollegen ja ein ähnliches Programm genauso erfolgreich absolvieren.

der Morgen danach …

Hat es sich gelohnt? Da muss ich mit einem ganz klaren „Ja“ antworten. Neue Kollegen, ein neues Revier, eine neue Situation, u.s.w. Ja, es hat sich gelohnt. Ich selbst habe mich in diesen Jahre weiter entwickelt und viel dazu gelernt.

Es ist zwar in gewisser Weise ein Schlusspunkt. Doch der Weg dorthin, ist mindestens genau so wichtig, wie einprägsam und erfüllend gewesen. Am Ende die Bestätigung zu bekommen, eine der anspruchsvollsten Prüfungen der Branche mit Bravour bestanden zu haben, lässt einen schon ein wenig „wachsen“. Ich blicke heute gerne darauf zurück, fast ein Jahr danach und ich bin emotional gleich wieder dort und würde gerne einfach immer weiter machen …

Deswegen freue ich mich auf die neue Saison. Aktuell gebe ich bereits wieder Skippertrainings, Online-Seminare und hoffe noch auf viele Törns, bei denen ich meine Begeisterung an meine Mitseglerinnen und Mitsegler weiter geben kann.