Die letzte Trainingswoche

Um gut vorbereitet zu sein, hatte ich mich auf Empfehlung von Clemens, unserem Yachtmaster Instructor und Principal von MCO Sailing Academy für ein zweiwöchiges Finale entschieden.

Wir sind zu dritt gemeinsam ab Dornbirn nach Basel gefahren um den einzigen Direktflug, den es zu der Zeit gab, auf die Kanaren, genauer gesagt nach Arrecife auf Lanzarote zu nehmen.

Ich bin direkt bis zu Clemens gefahren und sind in morgendlicher Dunkelheit und Frühe von seinem Haus bis nach Dornbirn gefahren, wo Clemens das Auto problemlos parken konnte. Dort hat uns Michael, der aus Innsbruck hergefahren war, in sein Auto geladen und die „Navigation“ bis Basel übernommen.

Nach einer wirklich kurzweiligen Fahrt kamen wir schließlich in Basel-Mulhuse an. Wir parkten in Mulhuse auf einem Langzeitparkplatz, trafen Jochen, der bereits dort auf uns wartete und wurden vom Shuttleservice direkt zum Flugplatz gefahren und gefühlt sind wir nach einem Nickerchen im Flieger schon in Arrecife auf Lanzarote gelandet.

mit dem Taxi ging es dann nach Porto Calero

Warum in aller Welt ausgerechnet Lanzarote? Nun, die Corona-Pandemie ist immer noch nicht vorbei, es ist sehr schwierig nach England zu kommen und auch wieder zurück. Man muss in Quarantäne bei der Einreise und auch wieder bei der Rückkehr. Also ist es leider nicht möglich für eine oder zwei Wochen nach England zu reisen um in einer sehr anspruchsvollen Umgebung die Prüfung zu absolvieren.

Aus diesem Umstand hat Clemens eine Tugend gemacht und wurde von einer RYA Ausbildungsbasis auf Lanzarote freundlich aufgenommen. Endeavour Sailing, vertreten durch Stephanie und Keith Charlton, beide sind wie ihre Boote schon etwas in die Jahre gekommen, haben alles bereit gestellt was wir brauchten. Dadurch ergab es sich auch, dass MCO Sailing nun eine eigene Basis auf Lanzarote aufbauen konnte. Die beiden hatten es Clemens gleich ans Herz gelegt. Und mit dem Partner Lava Charter in Arreceife wurde es dann auch möglich gut gewartete Boote für die Ausbildungstörns zu chartern.

Ähnlich wie bei der BG-See Abnahme für Ausbildungsboote in Deutschland, verhält es sich bei der RYA. Ein Betrieb muss akkreditiert sein und die Boote müssen auch den RYA Standards entsprechen. Hier wird auch alles getan um die Qualität auf allen Ebenen zu sichern.

Wir durften also mit den Endeavour Booten trainieren und unsere Prüfung machen.

Ruhe vor dem „Sturm“

Um an der Prüfung teilnehmen zu dürfen, waren bei mir im Jahr zuvor zwei intensive Wochenenden in Stams in Tirol zu absolvieren. Die Theorie, die zugegeben im englischen System nicht den selben Stellenwert hat, wie im Deutschen, musste mit einem positivem Assessment abgeschlossen werden. Verglichen mit der wirklich anspruchsvollen und aufwändigen Prüfung zum deutschen SSS war es wirklich machbar. Jedoch sei hier jeder gewarnt, dass was in der Prüfung verlangt wird, muss dann auf dem Boot in Extremsituationen auch sitzen. Einen Course-to-Steer, eine Height-of-Tide, Dead-Reckoning oder eine Estimated-Position muss man aus dem Ärmel schütteln können. Dazu braucht man auch keinen Kurs, denn Aufgaben und Lösungen gibt es genug.

Das Schöne am englischen System ist, es wird weniger gerechnet, aber dafür viel gezeichnet. Alle Formen grafischer Lösungen funktionieren eben einfach besser, als z.B. das Rechenschema für die Höhe der Gezeit.

kleine Denksportaufgabe für den Skipper

Diese Woche sollte intensiv und lehrreich werden, in jeder Beziehung. Jochen und Gregor waren die beiden ersten Kandidaten.

Beide bekamen von Clemens Karten, einen Reeds-Almanach und jeweils eine Aufgabe für einen Passagenplan für eine Kanalquerung und eine Passage zu den Kanalinseln. Diesen Passage-Plan, muss jeder Prüfling dann „verteidigen“. Der Prüfer lässt sich den Plan erklären und stellt ein paar Fragen dazu. Es ist viel Fleißarbeit zu leisten und wenn das passt, gibt es wieder Sicherheit in der Prüfung. Ein Prüfer merkt sofort ob man den Plan „kennt“, ihn also selbst angefertigt hat, oder ob es heir Wissenslücken gibt. Deswegen sollte niemand enttäuscht sein, wenn das Kapitel scheinbar schnell abgehakt wird.

Morgenroutine

Wir durften intensiv Ablegen, Anlegen, Wenden auf engem Raum und noch vieles mehr üben, denn schließlich soll das Bootshandling auch sitzen. Es ist ein fremdes Boot, eine fremde Crew und wir mussten erst einmal alle zusammenwachsen zu einem Team.

Mitten bei den Hafenmanövern sagte Clemens dann: „So, Euer Motor ist ausgefallen!“ Also schnell die Segel gesetzt und sicher an einem geeigneten Steg unter Segeln angelegt. Genau solche kleinen Einschübe, werden auch in der Prüfung gemacht. Du bekommst eine leichte Aufgabe und der Stresslevel wird langsam immer höher gefahren und du wirst beobachtet, wie du damit umgehst, egal ob plötzlich Instrumente, der Motor oder was auch immer ausfällt.

An dieser Stelle sei auch erwähnt, dass jeder einmal einen Fehler macht oder eine Situation falsch einschätzt. Das ist kein Grund durchzufallen. Sondern hier wird genau darauf geachtet, wie du als Schiffsführer in der Ruhe bleibst und dich wieder aus der Situation befreien kannst.

unsere Kollegen mit Notpinne kurz vor der Marina Rubicon

Bei unserem zweiten Boot ist z.B. bei rauer See und ordentlich Wind die Kette vom Steuerrad gesprungen und die Kollegen waren nicht mehr manövrierfähig. Sie haben uns über Funk angerufen und wir waren schnell zu Stelle. Aber der RYA Ausbilder bei ihnen an Bord hatte natürlich die Lage unter Kontrolle. Solange der Ruderquadrant nicht zerstört ist oder das Ruder selbst fehlt, kann z.B. noch mit dem Autopilot gesteuert werden. Die Kollegen haben dann die Notpinne angeschlagen und einige sehr kräftezehrenden Minuten gehabt, bis wir dann beide in der Marina Rubicon sicher vertäut lagen.

Wie ging nochmals dieses Man-over-Board?

Clemens hat uns dann noch ganz viel Leinenhandling, Leinenwurftechniken und clevere Möglichkeiten das Boot im Hafen zu verholen gezeigt. Es war wieder viel neues dabei.

wo sind wir?

Wir übten das ganze Programm nochmals durch, vom Security-Breefing über Blind-Navigation, Man-over-Board-Drill und Find-the-Spot im Hellen wie im Dunkeln.

In der Marina

Den krönenden Abschluss dieser Woche bildete dann die Prüfung von Gerald und Jochen. Beide waren schon für eine Woche vor Ort gewesen und kannten das Revier bereits. Die Beiden wurden von Clemens auch ein bisschen rangenommen, durften durch virtuelle Felsstürze vor der Hafeneinfahrt hindurch navigieren. Ich habe schnell verstanden, dass es nur auf die Kreativität der Prüfenden ankommt und nicht nur auf das Revier. Man kann eben auch hier auf den Kanaren eine Woche mehr als interessant und lehrreich gestalten. Plötzlich sind Hindernisse in der Karte eingezeichnet und mit denen musst du dann umgehen können.

Gerald präsentiert seinen Passage-Plan

Hubi und ich hatten dann die Ehre und das Vergnügen, bei Jochen und Gerald als Crew mit dabei zu sein. Dadurch konnten wir Stephen unseren Prüfer schon ein wenig kennenlernen. Als er dann die Passagenpläne von den beiden sah, meinte er nur er hätte da etwas für unsere Prüfung. Später stellte sich heraus, dass er seine privaten Karten vom Bristol-Cannel dabei hatte und wir bekamen dann auch entsprechende Aufgaben. Uns war klar, die mussten sitzen. Denn wenn wir irgendwo patzten, im Heimatrevier unseres Prüfers, würde er es sofort merken. Es sollte jedenfalls interessant werden.

Für Gregor und Jochen war es das bereits jetzt. Denn als alter Regattasegler legte Stephen sehr großen Wert auf optimal getrimmte Segel. Und immer wieder fragte er Jochen: „Are you happy with your sails?„ Eigentlich klar, was er wollte, oder? Es ist sicher nicht üblich, dass ein Prüfer so direkt auf das Thema Segeltrimm eingeht. Mir scheint es aber mehr als Verständlich. Denn ich hatte auch schon öfters altgediente und sehr erfahren Regattasegler dabei auf Törns. Da wird immer gezupft und gefiert und dichter geholt und Holepunkte versetzt … Sprich, es war nie langweilig.

Jochen legt ab

Der Prüfungstag der beiden neigte sich dann dem Ende zu, beide haben ihren Teil sehr gut gemacht und wir konnten sie am Abend auch gebührend feiern. Zwei weitere Yachtmaster … Cheers!

Und dann sollte unsere finale Woche mit Prüfung beginnen.

Wie wird man eigentlich Yachtmaster?

Der Autor macht sich Gedanken zum Thema Yachtmaster-Ausbildung, die Unterschiede zwischen den einzelnen Ausbildungssystemen (RYA, DSV, DMYV) und zum eigenen seglerischen Werdegang. In mehreren Beiträgen werden An- und Einsichten vertieft. Hier geht es also um den Einstieg und die Motivation, warum man sich nochmals einer Ausbildung unterziehen sollte, wo man doch bereits nahezu „ausgelernt“ hat. Aber: man lernt ja nie aus … zum Glück!

Den Gedanken, die RYA Ausbildung zum Yachtmaster zu machen, hatte ich schon vor ziemlich langer Zeit. Im deutschen System habe ich es über die Jahre auch bis zum Sport Seeschiffer Schein gebracht. Ursprünglich meinte ich, dass der SBF-See ausreichend sei, denn ich wollte höchstens selbst irgend wo mal ein Boot chartern.

Die Ausbildung zum SKS nahm ich dann 2013 selbst in die Hände, fast 7 Jahre nach meinem offiziellen Einstieg in die Segelei. Eigentlich kann man mich ja als spätberufenen Bezeichnen, denn mit 18 oder 19 begann ich als Surfer am Gardasee und bin eher unwissend was ich da tue, aber mit viel Bauchgefühl immer mal wieder mit Bekannten zum Segeln gegangen. Aber jetzt suchte mir eine Schule in der ich die SKS-Theorie absolvieren konnte. Die Ausbildung begnügte sich damit, Navigationsaufgaben zu lösen. „Den Rest könnt ihr selber auswendig lernen …“ waren die Worte des Trainers. Besonders befriedigt hat mich das damals nicht. Mittlerweile bilde ich selbst aus und die Navigation hat immer noch einen hohen Stellenwert, aber Themen wie Seemannschaft, also Geschichten aus dem Leben oder Wetterkunde und auch Recht haben ihren Platz und gehören in den Fächerkanon.

Für die praktische Übung habe ich mir ein Unternehmen am IJsselmeer in den Niederlanden gesucht. Einer der Eigner des Bootes war aus Deutschland, der andere, ein Pensionär, aus den Niederlanden, der uns auch die ganze Woche vor Ort bereut hat. Das war schon ganz gut, denn beide waren Praktiker und ich konnte einiges an Neuem mitnehmen. Die Prüfung fand damals vor einem deutschen Prüfungsausschuss bei ziemlich widrigen Verhältnissen statt und wurde dann auch abgebrochen, weil wir Wind im Bereich von 30-40 Knoten hatten.

Aber genau da wird es doch interessant! Was ist denn, wenn ich als verantwortlicher Skipper mal in solche Verhältnisse komme? Wie lege ich bei 40 Knoten Wind sicher an? Welche Manöver funktionieren sicher? Gewiss, das muss man nicht in einer Prüfung lernen. Hier wurde die Saat gesät, denn ein Jahr später fand ich mich mit meinem Segelfreund Alex in Southampton am River Hamble bei „Die Yachtakademie“ und Bernd Reese ein. Wir hatten uns im Februar für ein Winter-Sturmtraining im Solent angemeldet.

Die oben erwähnte SKS-Prüfung wurde dann bei etwas besseren Verhältnissen wiederholt und alle Prüflinge haben letztendlich auch bestanden. Aber irgend wie hat mich das gewurmt, denn eigentlich wollte ich mir beweisen, dass ich es auch beim solchen Verhältnissen kann. Das wäre beim ersten „Versuch“ sicher für einige nach hinten los gegangenen und war natürlich u.A. ein Grund für den Abbruch der Prüfung.

Nachdem ich die Möglichkeit bekam für eine Segelschule Törns als Skipper zu fahren, war klar „Sobald du das für Geld und ein deutsches Unternehmen machst, benötigst du den SSS.“ So ähnlich hatte es mir Florian, der jetzige Leiter der Segelschule verkauft und ich fand mich statt auf einem Boot in einem SSS-Kurs wieder.

Verständlich, denn zum einen bildet man an Bord SKS-Anwärter aus und bewegt sich in Bereichen, in denen der SBF-See, bzw. SKS nicht mehr ausreicht. Besonders aus versicherungstechnischer und Haftungssicht kann es eigentlich gar nicht anders gehen.

Im Laufe meiner Segelei habe ich auch einige Skandinavier getroffen, die überhaupt keine „Scheine“ oder Befähigungsnachweise kennen. Wenn du da ein Boot chartern willst, dann fragt der Vercharterer ziemlich genau wo, wann und wieviel du bereits gesegelt bist. Mit welchen Yachten, mit welcher Crew, u.s.w. Den Rest versucht er über die Kaution abzufedern.

In südlichen Gefilden gibt es u.A. auch andere Herangehensweisen. Ich will jetzt nicht schlecht über z.B. die kroatischen Scheine sprechen, aber es gibt ja diese Horrorgeschichten, wo man „Skipper“ nach einer halben Stunde Üben im Hafen auf die Menschheit los und in die Bora enlässt.

Jedoch in Österreich, der Schweiz und auch Deutschland gibt es eine fundierte und je nach Ausbildungsbetrieb auch mehr oder weniger praxisgerechte und gute Ausbildung. Jedoch gilt hier, wie überhaupt, „manchmal trügt der Schein“. Denn die Ausbildung hat einen sehr starken Theoriefokus. Das ist jetzt erstmal nicht schlecht, aber am Ende des Tages bewegen wir uns alle auf dem Wasser und nicht auf einem Prüfungsbogen oder mit dem Bleistift auf der Seekarte.

Mit zunehmender Beschäftigung mit dem Thema habe ich natürlich auch vom britischen System der RYA (Royal Yachting Association) gehört. Damals fand ich in Deutschland genau zwei Anbieter, die im Solent (Isle of Wight) Praxistörns angeboten haben. Ein befreundeter Segellehrer riet mir von einem der beiden Unternehmen gleich ab, denn er und auch andere hätten dort schlechte Erfahrungen gemacht. Ich kann es nicht nachvollziehen, habe mich aber natürlich dann, wie oben schon erwähnt doch lieber bei Bernd Reese angemeldet und eine Woche im Solent absolviert. Nachtansteuerungen, Pilotage, Blind Navigation, An- und Ablegen bei starken Strom. Rettungsmanöver mit Motorunterstützung, die bei jedem Wetter und allen Verhältnissen funktionieren und vieles mehr. Allerdings hat Bernd mir auch ganz klar die Länge des Weges aufgezeigt. Denn um irgendwann einmal Yachtmaster zu sein, müssen wirklich viele Meilen gesegelt werden. Darauf werde ich noch intensiver eingehen.

Was ist jetzt da also anders oder sogar besser? Es gibt ein paar gute Artikel in Fachzeitschriften, die sich intensiv damit auseinander gesetzt haben. Aus heutiger Sicht kenn ich es in etwa so zusammenfassen:

Ja, es gibt bei der RYA eine theoretische Prüfung, wie bei uns, aber der Fokus liegt ganz klar auf der Praxis. Zum einen werden Gezeitenmeilen verlangt, zum anderen auch Nachtfahrten.
In einem Zeitschriftenbeitrag in der Yacht wurde es ähnlich zusammengefasst: Jemand mit SSS kann ohne großen Aufwand die RYA Theorieprüfung bestehen. Ein Yachtmaster Offshore wird nicht ohne Zusatzausbildung die deutsche SSS-Prüfung bestehen können.
In der Praxis sieht das ganze komplett anders aus, wer nicht intensiv im Gezeitenrevier und auch bei z.B. Kanal-Passagen oder direkt im Solent geübt hat, wird bei der praktischen Prüfung mit Pauken und Trompeten unter gehen.

Und zu guter letzt findet das Ganze ja auch noch in englischer Sprache mit englischen Prüfern statt. Pro Prüfling kann das schon mal zwischen acht und 16 Stunden dauern. Also eine ganz andere Art der Prüfung. Doch dazu später mehr.