Blauwassersegeln

oder wie man bei einer Passage im Strahl kotzen lernt

Den diesjährigen Törn kann ich streng genommen in zwei Hälften teilen. Der erste Teil des Törns, von Cascais (Portugal) aus zu den Azoren kann man ziemlich genau mit „Fastensegeln“ beschreiben. Den zweiten Teil, mit Blauwassersegeln im Zentrum des Azorenhochs.

Bei den Azoren klingelt es wohl bei den meisten. Vom Azoren-Hoch haben viele schon ein mal gehört. Schließlich bestimmt es unser Wetter in Westeuropa ganz entscheidend mit. Aber wo liegen die Azoren auf der Landkarte? Ziemlich genau auf der Höhe von Lissabon, nur ca. 1500 km weiter westlich, mitten im Atlantik. Schauen wir nun auf die Landkarte oder hier unsere Skizze, dann kann man die sommerliche Wetterlage folgendermaßen beschreiben:

Tief über der Iberischen Halbinsel und Azorenhoch schaufeln gemeinsam Luft an der Portugiesischen Küste von Nord nach Süd.

Ein hitzebedingtes Bodentief auf der iberischen Halbinsel und das Azoren-Hoch schaufeln gemeinsam Unmengen von Luft von Norden nach Süden. An der Portugiesischen Küste herrscht eine sog. frische Briese vor. Das sind ungefähr 16 – 22 kn oder auch 5 Bft. Mäßige Wellen von großer Länge haben überall Schaumköpfe. Wenn nun der Wind ein wenig stärker weht, also mit 6 oder 7 Bft, dann kann man schon brechende Welleköpfe beobachten.

Dieser Wind, und zur Zeit des Törns hatten wir genau diese Wetterlage, schiebt nun über viele Seemeilen das Wasser vor sich her. In unserem Fall aus der Biskaya bis auf die Höhe von Lissabon. Da können die Wellen schon mal 5 oder 6 m hoch sein. Das sollte auf dem Atlantik nun kein Problem sein, dort beobachtet man eine sehr lange Dünung. Aber darauf kommen wir später wieder zurück.

Die Vorbereitung

Anreise nach Cascais war am 30.06. Das Boot lag in der Marina und wartete auf uns Teilnehmer. Elisabeth, eine Apothekerin aus Seevetal bei Hamburg, Felix, ein Unternehmer aus Meran und Jeff(Rey), ein promovierter Physiker, der im Taunus lebt und in den USA aufgewachsen ist. Ich war natürlich auch dabei, der Allgäuer, der meist mit kurzer Hose und kurzärmelig segelt, auch wenn es die anderen nicht tun.

Die Crew, kurz vor der Abfahrt.

Wir waren erst sehr spät abends komplett, also fiel das Proviantieren erst ein mal aus, bzw. wurde für Montag Vormittag angesetzt. Jeder bezog sein Bettzeug und die Matratze in seiner Koje und wir suchten uns ein schönes Lokal im Hafen und beschlossen den Anreisetag mit einem angemessenen Abendessen im Hafen.

Bernd, von der Yacht-Skipper Akademie, der den Törn anbietet, hatte sich für Montag angekündigt. Nach dem Einkauf ging es dann an die Törnbesprechung, bzw. die Passagenplanung. Die Wettersituation haben wir ja schon besprochen. Wir luden uns dann die GRIB-Files für die kommenden Tage herunter um abschätzen zu können, wann uns welches Wetter erwarten sollte.

Eine ausführliche Sicherheitseinweisung und auch eine Einweisung in das Boot und die besondere Ausrüstung für solche Ozean-Passagen sollte uns am Montag noch eine ganze Weile beschäftigen.

Passagenplanung und Wetter

Man macht hier eine „klassische“ Risikoabschätzung und ergreift entsprechende Präventivmassnahmen. Was wären die größten Risiken auf See, wenn man in jede Richtung mehr als sagen wir mal 60 sm Abstand zum Land hätte? (Sprich: wenn man immer auf sich allein gestellt ist und keine schnelle Hilfe von Außen möglich ist)
Den Abstand „nach Unten“ nehmen wir mal aus der Betrachtung heraus, denn von dort ist ja auch keine Hilfe zu erwarten.

  • Feuer an Bord
  • Wassereinbruch

Das wohl größte Risiko wäre ein Feuer, dass man nicht mehr unter Kontrolle bringt und sich viel Rauch, z.B. im Schiff entwickelt. Also werden wir beim Kochen besonders acht geben, das Gas bei Nichtbenutzung immer wieder abdrehen. Für einen Fett-Brand gibt es in der Party eine Löschdecke. Falls im Motorraum ein Feuer ausbricht, haben wir auch geeignete Feuerlöscher an Bord. Mehrere sind an verschiedenen Stellen auf dem Schiff verteilt.

Bei Wasser im Boot gilt es als erstes zu „kosten“. Ist es Süßwasser, dann ist im Trinkwassersystem ein Leck. Das kommt öfters vor, als man denkt. Die Druckwasserpumpe fördert im ungünstigsten Fall den gesamten Trinkwasservorrat in die Bilge. Da reicht eine kleine Unrichtigkeit an einer Schlauchschelle oder an einer Verbindung. Wenn draußen alle „segeln“ hört niemand, dass permanent die Pumpe läuft. Bei Motorfahrt übertönt der Diesel dieses Geräusch natürlich auch.

Sollte es sich aber um Salzwasser handeln, dann ist schnelles Suchen angesagt. Wo kommt es her? Ein undichtes Seeventil? Oder wurde doch eine Luke oder ein Fenster nicht geschlossen und haben die Wellen das Wasser herein gedrückt? Das Leck ist jedenfalls so gut wie es geht zu veschließen, und dann muss gegen das Wasser „angepumpt“ werden. Das kann die automatische Bilgenpumpe manchmal nur zum Teil schaffen. Dann kann man(n) eine Zeit lang mit Eimern dagegen „anpützen“. (Pütz: seemännisch für Eimer). Ungünstig, sind natürlich Kollisionen mit Treibgut oder gar schlafende Wale. Ein Loch im Rumpf lässt sich schließen, aber man wird den Wassereinbruch nie ganz stoppen können.

Bernd hat sich für Feuer und Wasser noch etwas kluges einfallen lassen.

Den Generator kann man vielfältig einsetzen um Strom zu produzieren. Das ginge auch mit dem Motor und einem Inverter, aber so ein kleiner Generator ist sehr sparsam und ausdauern. Die graue Box kann man entweder ins geflutete Boot hängen und das Wasser nach draußen befördern (man muss ja nur verhindern, dass es nicht mehr wird, solange schwimmt das Boot) oder man hängt die Kiste nach außen ins Wasser und man kann mit der Tauchpumpe einen größeren Brand bekämpfen.

Die nächste Frage ist, wie lange habe ich Zeit? Wann kann und wann will ich spätestens ankommen? Erwarten mich Flauten oder ungünstige Winde? Muss ich ggf. unter Maschine oder mit Motorunterstützung fahren? Daraus ergibt sich dann die Frage: Wieviel Diesel kann ich mitnehmen? Wir hatten den Tank voll und hatten zusätzliche Dieselkanister gebunkert um ggf. die gesamte Strecke motoren zu können.

Zusätzliche 100 l Diesel in Kanistern

Das klingt erst mal nicht schön, ist aber hilfreich, wenn die Crew zu einem bestimmten Termin wieder daheim erwartet wird.

Ein Boot wie unsere „Lily of Hamble“, eine 50 ft Bavaria Cruiser kann schon bis zu 10 kt schnell Segeln. Über der Rumpfgeschwindigkeit geht nichts, also rechnen wir mit einem Durchschnitt von 7 kt.

Wir segeln Tag und Nacht, also 24 h, dann sind das ca. 168 sm. Wir rechnen defensiv mit ca. 150 sm als Etmal. Diese 150 sm stechen wir grob mit dem Zirkel auf der Seekarte ab und wissen nun, dass wir ca. 6-7 Tage brauchen werden. Je nach dem, wie weit uns der Wind und Wellen von unserem Idealkurs abbringen.

Danach richten sich auch die zu bunkernden Vorräte. Besonders die Getränke und die frischen Lebensmittel, die ggf. gekühlt werden müssen, halten nicht ewig. Und in der feuchten, salzigen Luft verdirbt vieles etwas schneller, wenn man es nicht richtig lagert.

Ebenso können wir nun die Windstärke und die Windrichtung antizipieren. Wir haben nur ein kurzes Wetterfenster, da gleich am Anfang mit 6-7 Bft von Nord zu rechnen ist. Wenn zur Hauptwindrichtung noch der Fahrtwind addiert wird (Vektorrechnung lässt grüßen) dann kommt der Scheinbare Wind, und mit dem segeln wir, ziemlich aus NNW als fast von vorne. Das bedeutet unangenehmes „Am-Wind“ segeln. Die Wellen kommen dann auch von der Seite oder von schräg vorne.

Das wiederum hat uns bewogen etwas vorzukochen, denn wenn die Pantry nur mit einem „Klettersteig-Set“ begehbar ist, und immer hoch oben liegt, dann kann man nur bedingt große Menüs kochen. Wasser für Tee oder Suppe, bzw. vorgekochte Speisen aufwärmen, dass ist das einzige was wirklich realistisch ist. Aber auch dazu später mehr. Ich hatte je bereits verraten, dass es uns nicht ganz so gut ging. Sprich, bis Donnerstag hat keiner feste Nahrung zu sich nehmen können, geschweige denn drin behalten.
Wieder hat es sich bewahrheitet: das Schiff kann immer mehr ab, als die Crew. Es ist nur eine Frage von Intensität und Dauer …

Langfahrtvorbereitungen

Bei langen, weit vom Land entfernten Passagen, müssen durchaus noch andere Dinge bedacht werden. Zum Beispiel „Spares“, also Ersatzteile. Wir müssen davon ausgehen, dass alles, aber wirklich alles kaputt gehen kann. Das bedeutet, auf Langfahrten, je nach Gebiet, habe ich quasi einen kompletten Motor, Lichtmaschine, etc. in Form von Ersatzteilen dabei. Denn nicht überall bekomme ich einen neuen Abgaskrümmer, nur weil er durch korrodiert ist, ebenso eine neue Lichtmaschine oder einen Anlasser.

Für einen kompletten Ölwechsel haben wie also Motoröl und Getriebeöl gebunkert. Keilriemen, Impeller, Pumpen, Schraube, etc. sind obligatorisch.

Diesel-Motor Ersatzteile und Flüssigkeiten

Proviant

In unserem Fall 70 l Mineralwasser, etwas Cola, wie sich heraus stelle sollte, die falsche Sorte. Auch wenn ihr sonst keine gezuckerte Cola trinkt, wenn ihr komplett dehydriert und ausgemergelt seit, dann wirkt so eine Cola wirklich Wunder. Sie erweckt quasi Tote und belebt im besten Sinne.

Brot, Müsli, Butter, Wurst, Käse, Marmelade, Eier, Milch, Äpfel, Bananen, diverse Kräcker und Knabberzeug, auch Schokoriegel und mehrere Kilo Nudeln und Reis. Am Besten, ihr denkt euch ein Gericht und listet dann die Zutaten. Wenn ihr die Frischen Sachen für den Anfang einplant und die „trockenen“ haltbaren Lebensmittel eher am Ende einplant, dann wird das Ganze schon passen.

Was Euch vielleicht wundert, wir haben keinerlei Alkohol dabei gehabt. Denn wir sind 24 h im Einsatz, auch wenn Freiwache oder Schlafen angesagt sind. Am Zielort kann sich das dann ändern, denn gegen ein schönes kühles Anlegebier kann niemand etwas sagen. Es gibt manche Solo-Segler, die sich beim Bergfest z.B. über den Atlantik oder gar den Pazifik ein Bierchen gönnen, aber das ist in erster Linie gut für die Stimmung und die Seele. Die Reaktionsfähigkeit und die Klarheit der Entscheidungen wird auf jeden Fall eingeschränkt. Deshalb sind die 0,0 Promille absolut OK.

Streng genommen kann man auf See alles Essen und Trinken, wie zu Hause. Allerdings begünstigen Histamin-haltige Lebensmittel das Auftreten von „Motion-Sickness“, also der Seekrankheit. Es muss jeder selber wissen, ob und was einem bekommt. Der limitierende Faktor ist der Platz im Kühlschrank oder der Gefrierbox und die verfügbare Batteriekapazität. Um den Kühlschrank und die Geräte, wie AIS, Radar, Funk und die Beleuchtung zu betrieben, mussten wir z.B. jeden Tag den Diesel für 1 h bei 1500 U/min, aber ausgekuppelt mitlaufen lassen. Bei Flaute erübrigt sich das, aber ansonsten muss man schon die Batteriespannung im Auge behalten, bevor man sonst einen kompletten „Black-out“ hat und das Schiff nachts nicht mehr gesehen werden kann.

bis dahin,
Handbreit,
Euer Segelmichel